„Hier herrscht Recht und Ordnung, Sie sind hier in Bochum!“ Wenn diese Kult-Sätze aus dem Fernseher drangen, saßen bis zu vier Millionen Menschen gebannt auf dem Sofa und schauten Torsten „Toto“ Heim und seinem Kollegen Thomas „Harry“ Weinkauf bei der Arbeit zu. „Toto und Harry“, die zwei Polizisten, die in der Ruhrgebietsstadt auf Streife gingen, wurden 2001 mit der Sat.1-Sendung zu Stars. Auch ich wünschte mir stets, wenn ich während meiner Studentenzeit in Bochum auf einer lautstarken Party feierte, dass die beiden Kult-Cops die Feier auflösen oder uns zumindest Anlage und Zapfhahn abdrehen würden. Hauptsache, man hatte die Chance auf ein Autogramm. 

Quasi über Nacht zog damals der Ruhm ins Bochumer Revier ein und mit ihm die Wäschekörbe voller Fanpost. „Es wollte keine andere Dienststelle machen, als Sat.1 anklopfte“, erinnert sich Toto Heim im Interview zurück. Er hingegen hatte Lust, holte Kollege Harry mit ins Boot und gemeinsam fuhren sie im Einsatzwagen los, rein ins Rampenlicht. „Der Riesen-Hype hat uns dann auch sehr überrascht.“ Damals, als das Reality-TV noch klein und lineares Fernsehen bei allen Zielgruppen angesagt war, wurde der Polizeialltag nicht geskripted. Alles echt, nur der Funk wurde später nachgesprochen, wenn klar war, für welche Einsätze sich der Sender entschieden hatte. Legendär ist, dass der Polizeipräsident nach der ersten Folge fragte, wo sie denn die Schauspieler gefunden hätten. „Wir haben gesagt: ,Wir sind nur im Ruhrgebiet Streife gefahren‘“, erinnert sich Toto lachend. 

Lustige Begegnungen, die gab es im Pott viele. Vom Wohnungseinbrecher mit goldenem Brecheisen bis hin zum 15-jährigen Autofahrer mit Kirmes-Schiffschaukelbremsern auf der Rückbank. Die schlimmen, die traurigen Fälle, die gab es auch. „Die hätten wir aus Diskretions- und Pietätsgründen aber niemals gezeigt“, so Toto. Unzählige Menschen hat er kennengelernt, unzählige Schicksale und Geschichten aufgesogen, einige Wege kreuzten sich sogar mehrfach im Leben. Und ja, er eckte in seiner Art auch öfter mal an, und nicht jedem passte seine direkte Art, aber das Herz war bei dem Polizeihauptkommissar stets am rechten Fleck. Ein Cop mit Leib und Seele. Dabei hatte Heim, der in Solingen aufwuchs, 1980 eigentlich nur durch Zufall seine Berufung gefunden. Eigentlich hatte er nur den Bruder zum Eignungstest begleitet, der dann aber durchfiel, während Toto punktete. 

Apropos Berufung. Insgesamt 13 Jahre ermittelten Toto und Harry gemeinsam vor der Kamera. Anschließend ging es für Kabel 1 in der Doku „Die Kultcops im Ausland“ noch unter anderem nach Florida, Brasilien und Thailand, wo die Bochumer Beamten ihren Berufskollegen über die Schulter schauten. Danach traten die beiden nicht mehr als Duo vor die Kameras. „Was früher war, war eine tolle Zeit“, sagt Toto und jetzt ist eben jetzt. Er selbst hat Kameras und Bühnen weiterhin mit seiner direkten Ruhrgebiets-Art bei Laune gehalten, in verschiedensten Formaten, auch sechs Bücher hat er geschrieben. Klar, dass er auch heute immer noch nicht unerkannt über die Straße gehen kann. „Alle sind aber sehr respektvoll und freundlich, wenn sie mich ansprechen“, erklärt er.

Weniger respektvoll geht es für ihn heute auf der Straße zu. „Die Zeiten haben sich geändert“, so Toto. Rettungskräfte und Ordnungshüter würden heute oft angegriffen, beschimpft. „Viele Menschen kennen keine klaren Grenzen.“ Auch der Zusammenhalt lasse nach, der offene und ehrliche Austausch, für den vor allem das Ruhrgebiet immer berühmt war. „Vieles passiert nur noch hinter dem Rücken“, beklagt Torsten Heim. „Auch die Wertschätzung füreinander lässt nach und das führt zur Zerstreuung.“ Dabei, so der frühere TV-Cop, hätte doch vor allem der Pott so viel Potential an Ehrlichkeit und Teamfähigkeit. „Man muss das Wesentliche nur wiederfinden. Vielen aber geht es zu gut, sie denken eher an sich und vergessen dabei, was wirklich zählt.“ 

Wer Toto Heim so flammend für ein gesellschaftliches Miteinander und auch die Kraft seines Berufstandes sprechen hört, dem fällt es umso schwerer, sich vorzustellen, dass der Kult-Cop vor wenigen Tagen in Rente gegangen ist. Nach 41 Jahren im Dienst, 35 davon in knochenhartem Wach- und Wechseldienst, ist für ihn Schicht im Schacht bzw. dauerhaft Schichtende auf der Wache Südost an der Universitätsstraße. „Jetzt freue ich mich auf den Ruhestand.“ Während man andere TV-Stars gern im „Dschungelcamp“ oder bei „Big Brother“ wiederfindet, wenn sie das Rentenalter erreicht haben, erteilt Heim solchen Formaten eine deutliche Absage. „Die haben schon mehrfach angefragt, aber ich bleibe beim klaren ,Nein‘“.  

Stattdessen steht Zeit mit seiner Lebensgefährtin, mit der er nach Kempen gezogen ist, an erster Stelle. Zeit fürs Ehrenamt gehört ebenfalls ganz oben auf die Liste. So engagiert sich Heim unter anderem für die Deutsche Kinderhospiz- und Familienstiftung mit Sitz in Bochums Partnerstadt Nordhausen (Thüringen) und die Stiftung des niederländischen Sängers Herman van Veen für behinderte und benachteiligte Kinder. Und weil jemand wie er die Uniform doch nicht so ganz an den Nagel hängen kann, plant er auch schon ein Hörbuch mit weiteren Geschichten aus seinem Polizeialltag. Dann herrscht zumindest wieder ein bisschen „Recht und Ordnung“. In Bochum und überall.

Anna Hag

Anna Hag wurde 1982 in Gladbeck geboren. Sie studierte Medienwissenschaft und Anglistik/Amerikanistik an der Ruhr-Universität Bochum und ist Journalistin aus Leidenschaft, aktuell bei Raufeld Medien. Sie liebt spannende Menschen, emotionale Geschichten – und das Ruhrgebiet.

Autorenzeichnung: © raufeld / Martin Rümmele

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